07.04.2014 | SPIEGEL ONLINE

Sexismus-Debatte reloaded

Bundespolitisch ist die FDP weitestgehend abgemeldet, seit sie im September aus dem Bundestag geflogen ist. Sie dringt mit ihren Botschaften kaum durch. In den Umfragen liegt die Partei zwischen drei und vier Prozent.

Und ausgerechnet jetzt, wenige Wochen vor der Europawahl am 25. Mai, kommt Brüderle mit seinem Buch, in dem er sich den Fragen des "Bild"-Kolumnisten Hugo Müller-Vogg stellt. Zwiespältig wird es von manchem aufgenommen, der ihm wohlgesonnen ist. Der Ex-FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann sagt: "Es hilft nicht unbedingt der FDP, aber gibt erneut einen Anstoß für eine längst überfällige Debatte. Für mich hat die Scheinheiligkeit eines Teils der Presse ein nicht mehr akzeptables Maß erreicht." Das zielt auf den "Stern"-Artikel. Über den sagt Brüderle in seinem Buch,er habe ihn "empfunden als das, was er war: eine gezielte Aktion gegen mich als Politiker und als Mensch".

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hingegen sieht Brüderles Medienschelte skeptisch: "Ich halte es für wenig sinnvoll, sich über 'Medienkampagnen' zu beklagen. Dies wirkt ziemlich hilflos, denn es bedeutet ja - man hat seine eigene Kommunikation nicht richtig im Griff. Vielmehr gilt doch, dass jeder für seine Kommunikation immer selbst verantwortlich ist."

Ein Werk mit Potential zum Bestseller

Der Vorfall an der Bar in Stuttgart, das anschließende Gespött in der Öffentlichkeit, das in eine allgemeine Sexismusdebatte mündete - all das kommt jetzt zur Sprache. Den Satz gegenüber der "Stern"-Reporterin - "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen" - bestreitet Brüderle gar nicht: "Was ich gesagt habe, war nicht böse gemeint. Weder die Dame noch ihre umstehenden Kolleginnen und Kollegen empfanden es als anstößig. Es gab überhaupt keine negative Reaktion. Sonst hätte ich mich sofort entschuldigt."
So geht es einige Absätze lang. Brüderles Buch könnte es, wie manche Bücher von Ex-Politikern, durchaus auf eine der Bestsellerlisten schaffen. Die FDP aber wird davon nichts haben - außer noch einmal daran erinnert zu werden, dass sie mit ihm scheiterte.

Der einstige Spitzenmann hat in diesen Tagen gesagt, den politischen Menschen Rainer Brüderle werde es auch in Zukunft geben. Das klang wie eine Drohung an die neue Garde, sich auch weiterhin einmischen zu wollen. Die neue FDP-Generalsekretärin Nicola Beer kommentiert das am Montag vor Journalisten in Berlin diplomatisch so: Brüderle habe selbst erklärt, nicht als Oberlehrer daherzukommen, "ich bin nicht immer seiner Meinung gewesen, werde aber auch künftig seine Argumente wägen."

Quelle: SPIEGEL ONLINE vom 7. April 2014