06.12.2018

Friedrich Merz kann eigentlich gar nicht gewinnen

Die Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz hat die Mitgliedschaft der Partei elektrisiert. An der Basis gilt er als Hoffnungsträger. Doch die Mitgliedschaft kann die Stimmung pro und contra von Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn allenfalls beeinflussen; entscheiden kann sie nicht.

Das tun am Freitag 1001 Delegierte auf dem Bundesparteitag. Etwa 70 Prozent davon sind Berufspolitiker im Bund, in den Ländern und in den Kommunen. Die sind demokratisch legitimiert. Aber sie sind weder für die mehr als 400.000 CDU-Mitglieder repräsentativ noch für die mehr als 60 Millionen Wahlberechtigten. Parteitagsdelegierte sind in allen Parteien eine Klasse für sich, Teil der Polit-Klasse. Und deren Mitglieder denken, ticken und handeln anders als „die Menschen draußen im Lande“.

In Hamburg ist alles möglich, aber ein Merz-Sieg ist nicht wahrscheinlich. Der Neu-Einsteiger dürfte deshalb scheitern, und zwar aus sieben Gründen.

1. Die Delegierten sind treue Arbeiter im Weinberg der Partei. Merz hingegen hat sich 2009 aus der Politik ganz ausgeklinkt. So etwas kommt bei Parteiaktivisten nicht gut an.

2. Merz hat während seiner politischen Auszeit ständig von der Seitenlinie aus die Partei und ihre Vorsitzende kritisiert. Das brachte ihm Schlagzeilen ein, aber nur bedingt Sympathien in der Partei.

3. Sein Geld verdient Merz in der Finanzwirtschaft, und das nicht zu knapp. Eine Million im Jahr kommt in der deutschen Neidgesellschaft nicht an - und auch die CDU ist Teil davon.

4. Merz sind im innerparteilichen Wahlkampf teilweise Anfängerfehler unterlaufen. Er stand da ohne vernünftige Antworten auf die Frage nach Geld und Vermögen, er verhedderte sich bei seinen starken Worten zum Thema Asyl. Zu allem Überfluss plädierte er noch für Steuererleichterungen beim Aktienkauf. Da hatten es seine Gegner nicht schwer, diesen vernünftigen Gedanken als Konjunkturprogramm für Blackrock zu diffamieren. Das alles hat die Delegierten „not amused.“

5. Merz strebt einen klaren Kurswechsel der CDU an, weg von Merkels indifferenter Modernisierung. Die Delegierten haben in den vergangenen Jahren die „Sozialdemokratisierung“ der CDU ebenso mitgetragen wie ihr Ergrünen, den gesetzlichen Mindestlohn wie den Atomausstieg und nicht zuletzt die Flüchtlingspolitik der offenen Tür. Wer das alles abgenickt hat, ist nicht prädestiniert für einen Aufstand.

6. Ein CDU-Vorsitzender Merz müsste vielleicht bis 2021 mit einer Kanzlerin Merkel gut zusammenarbeiten. Genau das können sich viele CDU-Kämpen nicht vorstellen. Schließlich ist Merz 2009 allein wegen Merkel aus der Politik ausgeschieden. Da fehlt vielen für ein harmonisches oder zumindest produktives Miteinander der alten Gegner die notwendige Phantasie.

7. Eine CDU unter Merz würde auf heftigen Gegenwind stoßen - bei den anderen Parteien und nicht zuletzt bei den meisten Medien, insbesondere in den öffentlich-rechtlichen. Das bedeutet Polarisierung und harter Kampf - und das mit ungewissem Ausgang. Da setzen die Delegierten wohl lieber auf „keine Experimente“.

Fazit: Angela Merkel hat die Partei nach ihren Vorstellungen geformt. Die Merkel-CDU will keine scharfen Auseinandersetzungen mit anderen Parteien. Sie will regieren - mit allen außer den Linken und der AfD. Warum sollte diese Merkel-Union, warum sollten diese Delegierten sich mit ihrem Votum für Friedrich Merz selbst ein schlechtes Zeugnis ausstellen? Täten sie es doch, wäre das die wahre Sensation: Die Selbst-Korrektur einer auf „20 Prozent plus“ geschrumpften Volkspartei.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de am 6. Dezember 2018.


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