20.02.2019

Aber das Steueraufkommen steigt und steigt und steigt

Der Satz wurde zum zentralen Thema des Präsidentschaftswahlkampfs von George Bush senior im Jahr 1988: „Read my lips. No new taxes“. Frei übersetzt: „Nehmt mich beim Wort: keine Steuererhöhungen.“ Nicht zuletzt dieses Versprechen brachte Vater Bush ins Weiße Haus. Als er dann 1990 doch die Steuern erhöhte, war das der Anfang vom Ende. Die republikanischen Wähler verziehen ihm diesen Wortbruch nicht.

Wie die Republikaner in den Vereinigten Staaten so sind in Deutschland CDU/CSU und FDP traditionell die Steuersenkungsparteien. Dass beide während der vier schwarz-gelben Jahre zwischen 2009 und 2013 auf diesem Gebiet völlig versagt haben, ist eine traurige Tatsache. Für die Union hatte das Thema Steuersenkungen nach der Wahl von 2009 plötzlich keine Bedeutung mehr; auch gönnte man der FDP keinen steuerpolitischen Triumph. Die Liberalen wiederum ließen sich von der Union ausbremsen. Besser mitregieren als gar nicht regieren, lautete damals die FDP-Parole.

Grundsätzlich sind CDU und CSU für Steuersenkungen, während SPD und Grüne die Steuern am liebsten sofort erhöhen würden. Die steuerpolitische Bilanz nach 13 Jahren unter einer CDU-Kanzlerin ist aber eine andere. Als Angela Merkel Ende 2005 ins Kanzleramt einzog, betrug das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt 452 Milliarden Euro. 2018, nach 12 Jahren CDU-Kanzlerschaft, summierte sich das Steueraufkommen auf 775 Milliarden Euro – ein Zuwachs von 72 (!) Prozent.

Das schlug sich auch in einem Anstieg der Steuerquote – dem Steueraufkommen im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Leistung – nieder. Von unter 20 Prozent im Jahr 2015 (genau 19,6) kletterte sie bis 2018 auf knapp 23 Prozent, ein deutlicher Anstieg um drei Prozentpunkte oder 15 Prozent. Anders ausgedrückt: Von bei uns erwirtschafteten 100 Euro landeten zu Zeiten der Regierung Schröder/Fischer erst 20 Euro beim Staat; inzwischen nimmt er 23 Euro. So viel hat Vater Staat seit der

Wiedervereinigung noch nie für sich beansprucht. Das Groteske an der Situation: Merkel erbte eine Volkswirtschaft, in der Kanzler Schröder und seine rot-grüne Koalition die Steuerzahler mit der Reform des Jahres 2000 kräftig entlastet hatten. Von da an ging‘s bergauf – mit dem Steueraufkommen in absoluten Zahlen wie im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Eine Erhöhung der Steuerquote um drei Prozentpunkte hört sich technisch an und klingt nach nicht viel. Doch es bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung aller Steuerzahler, der Bürger wie der Unternehmen. Läge die Steuerquote noch bei knapp 20 Prozent, hätte Finanzminister Olaf Scholz im vergangenen Jahr 110 Milliarden Euro weniger eingenommen. 110 Milliarden Euro im Jahr, das sind rund 1300 Euro pro Kopf und Jahr für alle – vom Säugling bis zum Greis.

Anders als damals Vater Bush hatte Merkel im Bundestagswahlkampf 2005 einerseits eine Erhöhung der Mehrwertsteuer angekündigt, gleichzeitig jedoch eine große Reform der Einkommensteuer in Aussicht gestellt. Aus den geplanten 2 Punkten Erhöhung bei der Mehrwertsteuer wurden dann unter sozialdemokratischer Mithilfe drei Punkte, und es kamen noch andere Steuererhöhungen wie die Einführung der Reichensteuer zu. Der Wegfall von Steuervergünstigungen wie die Eigenheimzulage erhöhten ebenfalls die Steuerlast. Alles in allem trat 2006/2007 unter Kanzlerin Merkel die größte Steuererhöhung in Kraft.

Es sind nicht nur die Steuererhöhungen von 2007, die den Fiskus heute so tief in unsere Taschen greifen lassen. Auch der progressive Tarif der Einkommensteuer führt bei steigenden Gehältern zu einem überproportionalen Anstieg der Steuereinnahmen. Unser Steuersystem ist eben eine Maschine, die immer mehr Geld zusätzlich ausspuckt, solange die Wirtschaft auch nur ein wenig wächst. Weil der Steuersatz mit steigendem Einkommen progressiv ansteigt, werden auch immer mehr Arbeitnehmer mit dem Höchststeuersatz besteuert. Jahr für Jahr werden etwa 150.000 Steuerzahler zusätzlich von der Spitzenbelastung erfasst. Mussten im Jahr 2000 erst 1,6 Millionen Steuerzahler beziehungsweise gemeinsam veranlagte Paare den Höchstsatz entrichten, so waren es im Jahr 2018 nach Angaben der Bundesregierung rund drei Millionen.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die CDU/CSU redet immer wieder von Steuersenkungen. Aber die Steuerlast ist unter einer CDU-Kanzlerin deutlich gestiegen. Und die Prognosen der Steuerschätzer sind eindeutig: Selbst bei der geplanten Abschaffung des „Soli“ für einen Teil der Steuerzahler wird die Steuerquote bis zum Jahr 2023 auf 23,4 Prozent steigen. Man braucht, um auf George Bush zurückzukommen, gar keine „neuen“ Steuern. Bei uns sorgen auch die „alten“ für immer höhere Staatseinnahmen. Und trotz der 110 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr und ungeachtet der riesigen Ersparnisse durch die niedrigen Zinsen spricht Bundesfinanzminister Olaf Scholz von fehlenden Milliarden.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de am 20. Februar 2019


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