16.08.2019

Die SPD sucht den Super-Retter

Die Suche der SPD nach einer neuen Spitze gleicht einem Rockkonzert. Erst unterhalten ein paar Unbekannte oder „ Have beens” das Publikum, ehe die Stars die Bühne betreten. Bei der Veranstaltung „Sozialdemokraten suchen den Super-Retter” hat Vizekanzler Olaf Scholz nun diese Phase eingeläutet. Dem Bundesfinanzminister darf man abnehmen, dass es ihm nicht darum geht, durch seine Kandidatur auch mal im Rampenlicht zu stehen oder gegen die eigene schwindende Bedeutung anzukämpfen. Dass Scholz die Statur hätte, die Partei vor dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren, kann ihm keiner der Mitbewerber und Mitbewerberinnen absprechen.

Dass Scholz - noch ohne Ko-Kandidatin - in den Ring steigt, zeigt die Dramatik der Lage. Während die Funktionäre sich dem in ihren Kreisen überaus beliebten Spiel „wer gegen wen” hingeben, drohen der Partei im Osten katastrophale Wahlniederlagen und im Bund ebenfalls ein Absturz in Richtung zehn Prozent. Das Scholzsche Argument, ein Vizekanzler könne nicht gleichzeitig Parteivorsitzender sein, wird da völlig unglaubwürdig. Wenn nahezu alle Kanzler das konnten, dann muss das auch ein Vize hinbekommen.

Scholz plus GroKo oder Opposition

Das Interessante an dem Bewerber Scholz ist sein entschiedenes Eintreten dafür, dass die SPD die Gestaltungsmöglichkeiten in der Großen Koalition nutzt, statt auf den Oppositionsbänken an einer Annäherung an die sozialistische Die Linke zu arbeiten. Nun haben die SPD-Mitglieder die klare Alternative: Scholz plus GroKo oder Gang in die Opposition.

Scholz hat auf SPD-Parteitagen stets schlecht abgeschnitten. Seine Wahlergebnisse als Generalsekretär wie als stellvertretender Vorsitzender waren stets blamabel. Aber das sagt nichts über seine Chancen bei einer Urwahl. Die Parteibasis, die in den Kommunen und Ländern ganz pragmatisch Politik macht, steht nämlich deutlich rechts von dem hauptamtlichen, überwiegend links-ideologischen Funktionärskorps. Diese wiederum ist von den Wählern ebenso weit entfernt wie Paderborn von der Champions League

Ein sozialdemokratischer Realo

Scholz hat als erfolgreicher Hamburger Bürgermeister bewiesen, dass soziale und wirtschaftsfreundliche Politik keine Gegensätze sein müssen, sondern sogar zwei Seiten derselben Medaille sein können. Mit einem Vorsitzenden Scholz hätte die SPD zumindest die Chance, gegenüber der Union wie den Grünen wieder z einem erstzunehmenden Wettbewerber zu werden. Das wäre nicht nur gut für die Partei - sondern auch für das Land.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 16. August 2019.


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