24.02.2020

Die Wirklichkeit ist real, Genossen!

Nein, vom schlechten Bundestrend konnte sich die Hamburger SPD nicht abkoppeln. Ihr Stimmenanteil ging um 6,6 Punkte oder 14 Prozent zurück. Aber mit 39 Prozent schwebt sie im Vergleich zu den anderen SPD-Ergebnissen seit der Bundestagswahl in einsamen Höhen. Zudem hat die SPD die Grünen trotz deren Zugewinne deutlich auf Distanz gehalten. An der Elbe bleiben die Sozialdemokarten die dominierende Kraft.

Das Duo an der Spitze der Bundespartei, Saskia Esken und Nobert Walter-Borjans, traten am Wahlabend wie Sieger vor die Kameras. Was sollten sie auch anderes tun? Sie konnten ja schlecht behaupten, wenn die Hamburger Genossen sie als Wahlhelfer eingeladen hätten, wäre das Ergebnis besser ausgefallen. Im Gegenteil: Die Hamburger Genossen verzichteten bewusst auf die Wahlhilfe aus Berlin – ein beispielloser Affront.

Somit gehören die SPD-Vorsitzenden zu den Wahlverlierern. Sie trimmen die Sozialdemokraten im Bund gezielt auf einen Linkskurs, erfinden ständig neue Steuern und Abgaben, wollen mehr staatliche Eingriffe und machen aus ihrer Sympathie für Enteignungen keinen Hehl. In Hamburg setzt der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher dagegen unbeirrt den Kurs fort, den sein Vorgänger Olaf Scholz eingeschlagen hatte – eine Politik des linken Realismus. Im Stadtstaat werden nicht Mieten gedeckelt, sondern Wohnungen gebaut, wird die Wirtschaft nicht mit Sozialisierungsphantasien à la Kevin Kühnert erschreckt, sondern von der Regierung gefördert, der Schiffsverkehr auf der Elbe wird nicht als Bedrohung der Umwelt verdammt, sondern ist zusammen mit dem Hafen als wichtiger Wirtschaftsfaktor anerkannt.

Kurz: In Hamburg praktiziert die SPD das, was zu Zeiten von Helmut Schmidt und Gerhard Schröder ihre Stärke war – eine pragmatische Politik der Mitte. Folglich sprechen ihr die Bürger bei den Themen Wirtschaft, Arbeitsplätze, soziale Gerechtigkeit und bezahlbare Wohnungen die höchste Kompetenz zu. Gegen diese Politik und ihre Ergebnisse hatte die Hamburger CDU, die im Bund bei der Wirtschaftskompetenz weit vorne liegt, nicht die Spur einer Chance.

Die Hamburger Genossen können erleichtert aufatmen. Für das SPD-Führungstrio Esken/Walter-Borjans/Kühnert ist das Wahlergebnis dagegen ein Debakel. Denn die pragmatischen Hamburger Genossen und die ideologischen Berliner trennt mehr als sie eint. Die Wirklichkeit ist real, Genossen!

Veröffentlicht auf www.focus.de am 23. Februar 2020, aktualisiert am 24.2.2020.


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