04.12.2021 | Welt am Sonntag

Ampel erfindet Vizevizekanzler

"Es kann nur einen geben!", titelte der "Spiegel" neulich martialisch. Gemeint war ein angeblicher Großkonflikt zwischen FDP-Chef Christian Lindner und dem grünen Frontmann Robert Habeck. (…)

So aber verwaltet Lindner den Etat. Und Habeck wurde mit dem Posten des Vizekanzlers abgefunden. So war es überall zu lesen. Klang gut, nämlich so ähnlich wie in den USA. (…)

Hat Habeck also doch einen Vorteil gegenüber Lindner? Nein. Der Publizist Hugo Müller-Vogg hat für die Zeitschrift "Cicero" im Koalitionsvertrag einen bisher überlesenen Satz entdeckt: "Die FDP stellt die Leitung folgender Ministerien: Finanzen (zugleich § 22 GO BReg), Justiz, Verkehr und Digitales, Bildung und Forschung." Der Verweis auf die Geschäftsordnung der Bundesregierung ist wichtig. Dort heißt es zur Stellvertretung des Kanzlers: "Ist auch der Stellvertreter verhindert, so führt den Vorsitz der vom Bundeskanzler oder seinem Stellvertreter besonders bezeichnete Bundesminister ..." In bisherigen Koalitionsverträgen war das nicht geregelt.

Die Ampel hat also de facto den Vizevizekanzler erfunden. Linder leitet die Kabinettssitzung, wenn Scholz und Habeck gleichzeitig im Urlaub sind? Wichtiger: Auch er bekommt einen Extra-Staatssekretär, der für ihn die FDP-Ministerien koordiniert und sogar an den Kabinettssitzungen teilnehmen darf. (…)

Autor: Robin Alexander

(Quelle: „Welt am Sonntag“, Frühausgabe vom 4. November 2021)