15.01.2015

Und jetzt alle bitte mal durchwursteln

Wer will schon hören, dass nur wenig gut ist. Wohl am wenigsten eine Regierung – und dazu noch eine Regierung, die so gut wie alles darf und kann und deren Opposition fast nur statistischen Wert hat. Genau also die richtige Zeit, um ein ebenso kritisches wie provokantes Werk auf den Markt zu bringen. Hugo Müller-Voggs neuestes Buch „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient – warum die Große Koalition keine großen Ziele verfolgt“ nimmt kein Blatt vor den Mund. Und damit das auch Teile der geradezu mikrobenhaften Opposition mitbekommen, lud Müller-Vogg zur Präsentation seines Werkes zwei Vertreter einst farbenfroher Politik, nämlich den Oppositionellen Grünen Toni Hofreiter und den mittlerweile außerparlamentarischen Christian Lindner zum Gespräch. Alle drei nutzen denn auch das Treffen zur gemeinsamen Riesenklatsche an die aktuelle Große Koalition (GroKo).

Auch das Buch ist ein kritischer Husarenritt durch sämtliche Felder der Politik. Der Autor beklagt die Ungerechtigkeit der Rentenpolitik, sieht im Mindestlohn nur eine Mogelpackung und in der missglückten Energiewende nichts weiter als Planwirtschaft pur. Zwar lobt er die Agenda 2010 als den richtigen Einschnitt in die deutsche Wirtschafts- und Sozialpolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken – und mit den Hartz-Gesetzen sei der verkrustete Arbeitsmarkt aufgebrochen worden. Dennoch habe die Regierung den steilen Reformpfad der Schröderschen Jahre verlassen und sei auf die bequeme Standspur gewechselt.

Grundsätzlich gelte: Der Staat ist „in“, Ludwig Erhard „out“. Deutschland investiere heute viel zu wenig. Der Autor beklagt die marode Infrastruktur und sieht in der „Rheinbrücke bei Leverkusen“ das Symbol unterlassener Investitionen schlechthin. Die Regierung handelte nach dem rheinischen Rezept „et hätt noch emmer joot jejange“. Aber es reiche nicht. Finanzierungen müssten her. Müller-Vogg glaubt, dass die Regierung auf den Soli, der im Grunde jetzt schon ein Etikettenschwindel sei, weil er ohne jede Zweckbindung in die Steuerkasse fließe, auch zukünftig nicht verzichten wird. Irgendwann werde er wohl komplett in die Erneuerung der Infrastruktur einfließen, vermutet der Autor. Allerdings seien auch Kooperationen zwischen Staat und privaten Unternehmen, also Public-Private-Partnership-Modelle vorstellbar.

Auch in der Steuerpolitik geschehe so gut wie nichts – sei es bei der Beseitigung des „Mehrwertsteuerirrsinns“ oder beim Abbau der kalten Progression. Dass sich die GroKo im Dezember 2014 nun doch auf einen Kompromiss zur Abmilderung der kalten Progression geeinigt hat, konnte der Autor bei Erscheinen des Buches nicht wissen. Von der Bildungspolitik schließlich sei überhaupt nichts Großes zu erwarten. Denn während beim einen Koalitionspartner das Leistungsprinzip zähle, gehe beim anderen nichts über das Prinzip der Gleichheit und Gerechtigkeit. „Wer kein gemeinsames Ziel hat, wurstelt sich durch“, meint Müller-Vogg. „Jeder der Koalitionspartner ist zufrieden, wenn er wenigstens ein, zwei Lieblingsprojekte zum Bestandteil der Regierungspolitik machen kann.“ Kurzum: Die GroKo wurstelt sich so durch.

Müller-Vogg (…), zeigt sich in seinem Buch als flott formulierender Kritiker, nimmt kein Blatt vor den Mund und trifft oft den Nagel auf den Kopf. Immer wieder mal schimmert allerdings ein gewisser Populismus durch – beispielsweise beim Thema Frauenquote. Das Dilemma der geringen Frauenanteils in Top-Führungspositionen der Wirtschaft sieht er vor allem darin, dass sich zu wenig Frauen für Studiengänge interessieren, die für die Wirtschaft relevant sind: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das ist recht hausbacken argumentiert. Seine Feststellung, dass die herkömmliche Arbeitsteilung zwischen Männer und Frauen zwar schon sehr viel flexibler als zu Zeiten unserer Eltern und Großeltern sei, aber immer noch nicht ideal, mag fortschrittlich klingen. Sie bezieht sich aber nur darauf, dass in Deutschland die Frau oft nicht mit ihrer Dreifach-Rolle als Mutter, Hausfrau und Berufstätige zu Recht kommt. Vom Mann und seiner möglichen Dreifach-Rolle als Vater, Berufstätiger und „Hausmann“ – wie das in Frankreich üblich ist – ist keine Rede. (…)

Quelle: ÖKONOMENBLOG der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)“ vom 5. Januar 2015


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