13.07.2016

Millionenschwere Pensionsansprüche sind angeblich nichts wert

In gut einem Jahr tobt bereits der Wahlkampf. Es wird dann nicht zuletzt um ein Thema gehen: Gerechtigkeit. Für den linken Teil des politischen Spektrums steht fest: Gerechtigkeit lässt sich am ehesten durch höhere Steuern herstellen: Den Reichen nehmen und dem Staat geben, lautet die Glücksformel. Wobei blind unterstellt wird, dass der Staat viel besser weiß als jeder Einzelne, wie man mit Geld sinnvoll und ökonomisch umgeht.

Nun haben Grüne und Sozialdemokraten ein Problem: mit ihrem Ruf nach einer höheren Besteuerung von Einkommen haben sie im Wahlkampf 2013 die Besserverdienenden und Facharbeiter innerhalb der eigenen Klientel verprellt. Das soll 2017 nicht noch einmal passieren. Deshalb soll es jetzt in erster Linie den Vermögenden an den Kragen gehen – mit einer Vermögenssteuer. Die Begründung ist einfach: Weil Vermögen ungleich verteilt sind, müssen die, die mehr haben, etwas abgeben.

Wenn es um die Besteuerung oder Nichtbesteuerung von Vermögen geht, brauchen wir uns mit Vermögens-Milliardären nicht lange aufzuhalten. Die werden sich gegen eine Besteuerung zur Wehr zu setzen wissen: durch Ausnutzung aller steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und gegebenenfalls durch eine Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland. Dieser Weg steht vielen Familien mit Vermögen im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Millionenbereich nicht so leicht offen. Sie wären es, die die Hauptlast der rot-rot-grünen Vermögenssteuerpläne zu tragen hätten. Dabei werden zwei Aspekte gerne übersehen: Erstens stellt das Vermögen gerade für Freiberufler und Selbständige die private Vorsorge für das Alter dar. Zweitens bleiben bei allen Statistiken über die ungleiche Vermögensverteilung die Ansprüche an die staatliche Rentenversicherung und an betriebliche Versorgungssysteme sowie die Pensionsansprüche von Beamten und Politikern unberücksichtigt.

Nehmen wir einen Handwerker und einen Politiker. Der eine hat fürs Alter zwei oder drei Millionen Euro zurückgelegt, gilt damit als „reich“ und soll Vermögenssteuer zahlen. Ein Politiker oder Spitzenbeamter mit Pensionsansprüchen im Wert von zwei oder drei Millionen gilt dagegen – jedenfalls statistisch – als mittellos. Der „Barwert“ seiner Versorgungsansprüche geht in die Statistik über die Vermögensverteilung mit „Null“ ein. Wobei besonders pikant ist, dass unser Handwerker seine Altersvorsorge aus bereits versteuertem Einkommen gebildet hat, unsere Politiker und Beamten aber keinen einzigen Euro für ihre Versorgung zurücklegen mussten. Das haben die Steuerzahler für sie getan, darunter auch der „reiche“ Handwerker.

Zweifellos lassen sich Renten- und Pensionsansprüche nicht mit „richtigem“ Vermögen (Immobilien, Geldvermögen, Aktien usw. abzüglich Schulden) gleichsetzen. Solche Ansprüche an den Staat oder betriebliche Pensionskassen lassen sich nicht auszahlen oder beleihen. Sie lassen sich direkt auch nicht vererben. Allerdings werden dem Witwer oder der Witwe in der Regel 60 Prozent der bisherigen staatlichen Altersbezüge ausgezahlt. Gleichwohl können bei der Betrachtung von Vermögen und seiner Verteilung solche Forderungen nur dann außer Betracht bleiben, wenn man ein politisches Interesse an einer möglichst ungleich erscheinenden Vermögensverteilung hat.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW), meistens Zahlenlieferant für rote und grüne Umverteiler, hat jetzt zusammen mit Wissenschaftlern der FU Berlin und der New York University den Versuch unternommen, Anwartschaften aus der gesetzlichen und der betrieblichen Altersvorsorge bei der Berechnung der Vermögen zu berücksichtigen. Und siehe da: Das mittlere Vermögen der Deutschen (die eine Hälfte hat mehr, die andere weniger) steigt plötzlich dramatisch an: von 18.000 Euro je Kopf auf rund 107.000. Auch das Durchschnittsvermögen verdoppelt sich, von 85.000 auf 177.000 Euro. Die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung wird dadurch natürlich nicht beseitigt, aber deutlich abgemildert.

Solche Berechnungen spielen in der politischen Diskussion aber keine Rolle. Aus gutem Grund: Wer seine Umverteilungspolitik mit der angeblich schreienden Ungerechtigkeit bei der Vermögensverteilung begründet, der setzt Renten- und Pensionsansprüche mit Null an. Außerdem wissen die rot-rot-grünen Umverteiler sehr genau, dass eine Berücksichtigung ihrer eigenen millionenschweren Pensionsansprüche sie sehr schnell zu Opfern ihrer eigenen Vermögenssteuerpläne machen würde. So halten Rote, Dunkelrote und Grüne an der für sie persönlich bequemen Fiktion fest: Ein Handwerker mit 2 Millionen auf dem Vorsorgekonto ist ein böser Reicher, ein Politiker mit Pensionsansprüchen in gleicher Höhe ist ein armer Wicht. Man muss sich die Verhältnisse halt nur zurechtzubiegen wissen.

Veröffentlicht in „Tichys Einblick vom 13. Juli 2016


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