27.02.2018

CDU ist glücklich über Merkels kleine Zugeständnisse

Die CDU will, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Das hat der Bundesparteitag mit großer Mehrheit so beschlossen – bei nur 27 Gegenstimmen. Das hat niemanden, der die CDU auch nur ein wenig kennt, überrascht. Ohnehin ist, wer Überraschungen sucht, auf CDU-Parteitagen fehl am Platz. So war das Treffen der knapp 1000 Delegierten ein Tag der Nicht-Überraschungen. Hier meine Hit-Liste der Nicht-Überraschungen - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Nicht-Überraschung Nr. 1: Merkel hält eine Merkel-Rede. Die Kanzlerin war noch nie eine Rednerin, die einen Parteitag mitreißt. Sie ist sich in Berlin treu geblieben. Angela Merkel hält eine typische Merkel-Rede: solide, ohne originelle Formulierungen, ohne jene „Dynamik“, wie sie im Tagungsmotto beschworen wird.

Nicht-Überraschung Nr. 2: Die CDU-Vorsitzende vermeidet jede tiefergehende Analyse der schweren Verluste bei der Bundestagswahl. Viel mehr Zeit verwendet sie auf die Wahlerfolge der CDU bei den Landtagswahlen 2017: im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein. Selbst die Tatsache, dass die CDU-Niedersachsen ihre Position als stärkste Fraktion eingebüßt hat, wird als Erfolg verkauft: als die Ablösung von Rot-Grün in Hannover durch Rot-Schwarz.

Nicht-Überraschung Nr. 3: Merkel propagiert keinen Aufbruch, keine Erneuerung der CDU. Das war nach 18 Jahren an der Spitze der Partei und nach mehr als 12 Jahren im Kanzleramt nicht zu erwarten. Merkel verkündet in Berlin ein inhaltliches „Weiter so“ - mit ein paar neuen personellen Akzenten.

Nicht-Überraschung Nr. 4: Der Koalitionsvertrag wird gelobt. Merkel und ihre „erste Mannschaft“ am Rednerpult heben hervor, was man alles an SPD-Forderungen abgewehrt habe. Hinweise auf die Stellen, in denen etwa eine unmissverständliche „CDU-Handschrift“ zu erkennen wäre, sind kaum zu hören.

Nicht-Überraschung Nr. 5: Die Personalpolitik Merkels hat den gewünschten Effekt: Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin kommt bestens an, wird nach ihrer temperamentvollen Vorstellungsrede mehr gefeiert als Merkel nach ihrer Verteidigung des Koalitionsvertrags. Die Delegierten wissen zu schätzen, dass jemand das Amt der Ministerpräsidentin eintauscht gegen das der Generalsekretärin – sozusagen ein selbst gewähltes „down grade“. Noch ein Vorzug von „AKK“: Sie ist aus der Sicht der CDU-Basis viel besser geerdet als ihr erfolgloser Vorgänger, spricht den Mitgliedern und Funktionären aus der Seele, präsentiert sich nicht als intellektuelle Managerin, sondern als Überzeugungstäterin. Ihr Wahlergebnis spricht für sich: 99 Prozent – knapp am „Schulz-Hype“ vorbei.

Nicht-Überraschung Nr. 6: Die Nominierung von Jens Spahn für einen Kabinettsposten hat den konservativen Parteiflügel sichtbar beruhigt. Seine Berufung wird als personifizierter Widerspruch zur Aussage von Armin Laschet gewertet, wonach das Konservative „nicht zum Markenkern“ der Union zähle.

Nicht-Überraschung Nr. 7: Die prominentesten Merkel-Kritiker gehen nicht in die Bütt. Roland Koch, Friedrich Merz, Wolfgang Bosbach sind in Berlin nicht zu sehen, auch nicht zu hören. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass Merz als Nicht-Delegierter gar kein Rederecht gehabt hätte. Aber er hätte als Gast kommen und so ein Zeichen setzen können; er tat es - wie zu erwarten war - nicht.

Nicht-Überraschung Nr. 8: Unmut äußert sich bei der CDU nur indirekt. Als Angela Merkel den von ihr sozusagen entlassenen Ministern Thomas de Mazière und Hermann Gröhe dankt, gibt es sehr starken und sehr langen Applaus, der in rhythmisches Klatschen übergeht. Darin stecken Dank und Anerkennung für die Leistungen der beiden Abgehalfterten. Das ist zugleich eine Art des Protests gegen die Art und Weise, wie Merkel zwei verdiente Mitstreiter geopfert hat.

Nicht-Überraschung Nr. 9: Auf eine echte Auseinandersetzung mit der teils konservativen, teils völkischen, teils antisemitischen AfD verzichtet Merkel. Sie verurteilt deren Antisemitismus und erwähnt die schweren Verluste an die neue Konkurrenz von ganz rechts. Aber über die Ursachen dafür, dass „rechts von der Union“ eine „demokratisch legitimierte Partei“ (Strauß) entstehen konnte, wird auf dem Parteitag mehr an den Kaffeeständen als im Plenum gesprochen. Die Aussage von Jens Spahn, er wolle sich mit dieser Partei nicht abfinden, stößt auf große Zustimmung.

Nicht-Überraschung Nr. 10: Der Wirtschaftsflügel ist ein Papiertiger. Niemand hat in der Partei Ludwig Erhards so wenig zu sagen wie der Wirtschaftsrat der CDU. Sein Präsident kritisiert den Koalitionsvertrag – zu Recht – als zu sehr auf „Verteilung“ ausgerichtet. Seine Mitteilung, seine Organisation habe den Koalitionsvertrag einstimmig abgelehnt, interessiert im Saal jedoch so gut wie niemanden. Vor zahnlosen Tigern hat man keine Angst.

Zugegeben: Es gab doch zwei Überraschungen. Die erste war der Parteitag an sich. Anders als 2005 und 2013 wurde das Ja zur Großen Koalition bei der CDU nicht von dem kleinen Bundesausschuss, sondern von einem Parteitag beschlossen. Auch das war eine Konzession der Vorsitzenden an die vom Wahlergebnis enttäuschte Basis. Die zweite Überraschung: Es gab mehr als 50 Wortmeldungen – und keinen Versuch, die Aussprache mit Blick auf die Uhr abzukürzen oder abzuwürgen. So besehen war der 30. CDU-Parteitag seit der Wiedervereinigung einer der lebendigsten.

Veröffentlicht auf www.cicero.de am 27. Februar 2018.


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