19.12.2019

Für CDU und SPD gibt es keine frohe Botschaft

Falls CDU und SPD eine ehrliche Jahresbilanz ziehen sollten, können sie nur zum gleichen Schluss kommen: Es ging mit uns weiter bergab. Wer die Parteitage der beiden einst dominierenden Volksparteien beobachtete, ohne die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen zu kennen, hätte den Eindruck gewinnen können, hier gehe alles seinen gewohnten Gang: The Show went on. Doch das Gegenteil ist richtig: Die SPD kämpft gegen das Abrutschen in die 5 - 10 Prozent Zone. Die CDU wiederum atmet schon erleichtert durch, wenn die Demoskopen sie bei 25 Prozent plus kleinem X sehen. Da wirken Unionsparolen, man müsse wieder in die Nähe der 40 Prozent kommen, ebenso absurd wie das Ziel der neuen SPD-Spitze, binnen eines Jahres 30 Prozent der Wähler hinter sich zu versammeln.

Die Union stünde im Bund noch schlechter da, wenn sich die CSU nicht stabilisiert hätte. Auch die einstige bayerische Staatspartei muss sich ziemlich alte Nachrichten-Sendungen anschauen, wenn sie von „50 Prozent plus X“ schwelgen möchte. Aber die CSU kann halt unverändert mit dem Pfund wuchern, dass Bayern auf nahezu allen Gebieten das erfolgreichste Bundesland ist. Dass das mehr mit der Regierungskunst von Stoiber, Seehofer und Söder zu tun hat als mit irgendeiner anderen Partei, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten. Auf dieser Basis versucht Söder nicht ohne Erfolg, Weiß-Blau mit Grün zu versöhnen. Die CDU dagegen tut sich schwer, mit ihrer aus der Merkel-Ära stammenden programmatischen Beliebigkeit wieder Profil zu gewinnen.

Nicht wenige - den Autor eingeschlossen - hätten noch vor wenigen Jahren ausgeschlossen, dass die SPD im Bund jemals auf 13 -16 Prozent schrumpfen könnte. Auch für ein Abrutschen der CDU unter 30 Prozent reichte die Phantasie nicht aus. Dass die Union im Vergleich zu den Sozialdemokraten noch deutlich besser dasteht, verdankt sie freilich nicht ihrem Modernisierungskurs, sondern der relativen Treue der Wähler über 60 Jahre. Die machen ihr Kreuz häufiger bei der CDU als anderswo und gehen überdies fleissiger zur Wahl als die jüngeren Jahrgänge; sie liften die CDU noch halbwegs verlässlich über die 20-Prozent. Die SPD hat dagegen in keiner einzigen Wählergruppe noch einen vergleichbaren Rückhalt. Wenn selbst mehr Gewerkschaftsmitglieder die AfD als die SPD wählen, ist das Elend der SPD offensichtlich.

Die SPD ist in den vergangenen Jahren deutlich nach links gerückt - und bei der Bundestagswahl 2017 damit gescheitert. Jetzt wollen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans den Linkskurs verschärfen. Gut möglich, dass sie damit einige zur Linken abgewanderte Wähler zurückholen. Das würde, falls es zu Grün-Rot-Rot reichen sollte, ihre Position als Juniorpartner von Habeck/Baerbaum stärken, sie aber nicht auf 30 Prozent bringen. Ohnehin scheinen die neuen SPD-Vorsitzenden zu übersehen, dass sie in einem Überbietungswettbewerb um noch mehr Umverteilung und noch mehr soziale Wohltaten gegen Die Linke keine Chance haben.

Bei def CDU ist ein Jahr nach dem Wechsel von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer nicht zu erkennen, wohin die Reise gehen soll. Die neue Vorsitzende ist zunächst in der Flüchtlingsfrage denen entgegengekommen, die dagegen waren und sind, rechtsstaatliche Prinzipien aus humanitären Gründen und mit Blick auf den medialen Mainstream ausser Kraft zu setzen. Eine Reihe von kommunikativen Fehlern und das katastrophale Abschneiden bei der Europawahl haben AKKs Anfangserfolge jedoch bald zunichte gemacht. Nach dem Leipziger Parteitag ist die Vorsitzende zwar stabilisiert. Die eigentliche Führungsfrage - die Kanzlerkandidatur - bleibt aber offen. Und programmatisch hat die Union weiterhin an Schärfe verloren. Beim Kompromiss um die Grundrente hat die SPD, wieder einmal, das grössere Stück vom Kuchen abbekommen. Zudem spricht viel dafür, dass die Kanzlerin zur Rettung der GroKo beim Nachbessern des Koalitionsvertrags entgegenkommen wird. Die CDU/CSU dürfte ihr nach bewährtem Muster folgen - laut grummelnd, aber brav.

So könnte das Jahr 2019 eine Zäsur markieren - den Abschied der alten Volksparteien von sich selbst. Die SPD hat ein klares Programm - das aber die Wähler in der Mitte nicht erreicht. Die CDU wiederum hat kein klares Profil mehr und keine Strategie, an AfD wie an die Grünen verlorene Wähler zurückzugewinnen. Weihnachten 2019 ist das Fest der frohen Botschaft. Das gilt für jedes einzelne Mitglied von CDU und SPD - aber nicht für diese Volksparteien.

Veröffentlicht auf www.cicero.de am 18. Dezember 2019.


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