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30.08.2021
Laschet greift an, Scholz bleibt Scholz, Baerbock gibt nicht auf
Der in den Umfragen führende Olaf Scholz hat im ersten „Triell“ der drei Kanzlerkandidaten weder positiv noch negativ überrascht. Der von vielen bereits abgeschriebene Armin Laschet hatte einen starken Auftritt. Annalena Baerbock präsentierte sich als selbstbewusste Anwärterin aufs Kanzleramt. Fazit: In der fast zweistündigen Diskussionsrunde der TV-Sendergruppe RTL/ntv“ ging niemand K.O. Aber Laschet hat die Ausgangsposition der CDU/CSU für die letzten vier Wochen zweifellos verbessert.
Unterschiedliche Strategien
Der CDU-Kandidat war von Anfang an im Angriffsmodus, stellte die SPD als Partei dar, die beispielweise bei der Ausrüstung der Bundeswehr unzuverlässig ist, die Wirtschaft über Gebühr belasten will und damit Arbeitsplätze gefährdet. Den Grünen warf er vor, bei der Klimapolitik zu sehr mit Verboten zu operieren und zu wenig an die Kosten für die Unternehmen und die Bürger zu denken.
Der SPD-Kandidat stellte sich als den eigentlichen Regierungschef dar nach dem Motto, „das haben ich und die Bundeskanzlerin durchgesetzt.“ Manchmal konnte man bei Scholz den Eindruck gewinnen, die SPD regiere mit absoluter Mehrheit. Zudem verkaufte sich Scholz, wie zu erwarten war, als Anwalt der kleinen Leute und prangerte die CDU als Schutzpatron der Reichen dar, wenn auch eher im Scholz’schen Kammerton als im Marktplatz-Sound.
Annalena Baerbock nutzte geschickt den Vorteil der Opposition: Sie machte für alle Fehlentwicklungen in diesem Land die GroKo-Parteien CDU/CSU und SPD verantwortlich, warf ihnen vor allem in der Klimapolitik Untätigkeit vor. Zudem war Baerbock bemüht, das soziale Gewissen der Grünen zu betonen. Vor allem Kinder sollen durch eine Kindergrundsicherung bessergestellt werden: Sozialpolitik als zweites Standbein der Grünen.
Afghanistan: Laschet distanziert sich von Merkel
Die Entwicklung in Afghanistan versuchte keiner der drei schönzureden. Laschet sprach von einem Desaster des Westens, „auch eines der Bundesregierung“. Das war eine auffallend deutliche Distanzierung, selbst von der eigenen Bundeskanzlerin. Bei künftigen Krisen soll ein im Bundeskanzleramt angesiedelter Nationaler Sicherheitsrat für ein abgestimmtes Verhalten der Ressorts sorgen.
Baerbock attackierte Scholz, weil der sich nicht zum Versagen des von Heiko Maas geführten Außenministeriums äußere. Die Bundesregierung habe sich weggeduckt, habe „innenpolitische Motive über außenpolitische Verantwortung gestellt.“
Scholz ist bei diesem Thema eher defensiv, kreidet in erster Linie der afghanischen Armee an, sich fast kampflos ergeben zu haben. Er wehrte sich vehement gegen den Vorwurf von Laschet, dass die SPD die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen verhindert habe. Richtig ist, dass beschlossen wurde, die Bundeswehr mit der Eurodrohne auszurüsten. Aber die Frage der Bewaffnung blieb bisher wegen der Bedenken der SPD offen.
Klimapolitik: Baerbock und Scholz gegen Laschet
Keine andere Partei betont so sehr die Notwendigkeit einer anderen Klimapolitik wie die Grünen. Schon deshalb hatte Baerbock bei diesem Thema ihre stärksten Momente, sparte nicht mit scharfer Kritik an der GroKo. Allerdings war auch Scholz sehr bemüht, die SPD als Umweltpartei darzustellen. Beide waren sich einig, dass die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf eine klimaneutrale Produktion den Menschen nicht allzu viel abverlangen werde, weder an Kosten noch an Verzicht.
Laschet wies zurecht darauf hin, dass höhere Energiekosten gerade bei Menschen mit niedrigen Einkommen zu erheblichen Mehrbelastungen führten. Auch verwies er darauf, dass die von Grünen und SPD vorgesehenen Ausgleichszahlungen für die Bürger nicht praktikabel seien. Umgekehrt hielten Scholz und Baerbock Laschet vor, dass die CDU/CSU einseitig die Mieter mit den Kosten für energetische Sanierungen belasten wolle und nicht die Vermieter. Hier hatten beide Seiten auf ihre Weise recht.
Verzicht auf persönliche Angriffe
Baerbock, Scholz und Laschet wissen nicht, wie sich die Wähler am 26. September entscheiden werden. Aber allen drei ist bewusst, dass sie Koalitionspartner brauchen. Das sorgte zweifellos für einen moderaten Ton in dieser Auseinandersetzung. Wenn man den anderen in vier Wochen vielleicht zum Regieren braucht, dann wäre es nicht hilfreich, ihn oder sie jetzt allzu scharf zu attackieren oder zu vergraulen.
So fanden die „Triellanten“ gleich zu Beginn zu einem fairen Umgang miteinander. Auf die etwas schräge Frage der Moderatoren Pinar Atalay und Peter Kloeppel, warum der jeweils andere „nicht Kanzler kann“, verweigerten alle drei eine Antwort. Was in diesem Fall die einzig richtige Antwort war. Bei vielen angesprochenen Themen gab es auch manche Übereinstimmung. Beispielsweise sehen alle Kanzlerkandidaten aus heutiger Sicht keine Notwendigkeit für einen weiteren Lockdown, sind gegen ein Verbot von Inlandsflügen, lehnen auch jeden Zwang zum Gendern aus.
Rot-Grün-Rot bleibt möglich
In einem Punkt hat das Triell für Klarheit gesorgt: SPD und Grüne schließen eine Koalition mit der Linkspartei nicht aus. Dass das Nein der Linken zum Rettungseinsatz der Bundeswehr in Kabul ein solches Bündnis nicht einfacher gemacht hat, liegt auf der Hand. Aber offenbar hat Scholz „R2G“ noch nicht endgültig abgeschrieben. Verräterisch seine Aussage, das Abstimmungsverhalten der Linken im Bundestag habe ihn „echt betrübt.“ So spricht jemand, der befürchtet, er könnte einen potentiellen Koalitionspartner verlieren.
Auch Baerbock wollte die Tür für eine Linkskoalition nicht endgültig zumachen. Aufschlussreich, dass sie das Nein der Linken zum Afghanistan-Einsatz gleichsetzte mit der angeblichen Ablehnung des Pariser Klimaschutzabkommens durch die CDU/CSU. Was wohl heißen soll, dass den Grünen eine Koalition mit der Union ebenso schwer fiele wie mit der Linkspartei. Auch das war eine aufschlussreiche Erkenntnis. Beim Thema Rot-Grün-Rot hatte Laschet seine stärkste Szene. „Sie spielen wie Merkel und reden wie Esken“, ging er Scholz an. „Ich verstehe nicht, warum es so schwer ist für Sie zu sagen: Mit dieser Partei will ich nicht koalieren.“ Es sieht ganz danach aus, als wolle die CDU/CSU die Warnung vor einer Linkskoalition zu einem zentralen Thema im Wahlkampfendspurt machen. Scholz hat ihr jedenfalls die entsprechende Munition geliefert. Ob diese zündet, entscheiden die Wähler.
(Veröffentlicht auf www.focus.de am 30. August 2021)
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