01.12.2021

Reiche mit seltsamen Wünschen: Bitte, Staat, nimmt mir endlich mehr Geld ab!

Sie haben viel Geld – erarbeitet oder geerbt – und fühlen sich dabei nicht wohl. Ja, solche Zeitgenossen gibt es, wenngleich die allermeisten Deutschen diese Art von Sorgen gerne hätten. Und wie lässt sich dieses Reichtums-Elend beseitigen? Indem der Staat einem – endlich – einen Teil wegnimmt. So denken jedenfalls einige dieser am eigenen Reichtum leidenden Reichen.

Nun lässt sich darüber streiten, ob die „Reichen“ hierzulande angemessen, zu stark oder zu niedrig besteuert werden. Weder das Grundgesetz noch die Bibel definieren, was unter einer gerechten Besteuerung zu verstehen ist. Selbst in den Programmen von Sozialdemokraten, Grünen und Linken gibt es keine Übereinstimmung, wie viel der Staat den Reichen und Erfolgreichen wegnehmen soll.

Aber zurück zu den „leidenden Reichen“, die sich unwohl fühlen ob ihres Reichtums. Es ist sicher eine Minderheit. Aber sie dürfen auf Beifall zählen, sobald sie den Staat auffordern, ihnen doch mehr Geld wegzunehmen, und zwar bitte schnell. 31 Multimillionäre aus Deutschland und Österreich haben im Sommer den Aufruf „#taxmenow“ unterzeichnet: „Besteuere mich jetzt“. Ihre Begründung: "Diejenigen, die viel besitzen, können einen höheren Beitrag leisten, um die großen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.“ Die Rede ist vom Klimawandel, von Wohnungsmangel und auch der Förderung einer effektiven Vermögensbildung für alle.

Ampel verzichtet auf Steuererhöhungen

Doch das hat im Wahlkampf keine Massendemonstrationen für mehr Umverteilung ausgelöst. Schlimmer noch: Die Ampel-Parteien haben sich auf Druck der FDP sogar verpflichtet, auf Steuererhöhungen zu verzichten. „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen“, heißt es im Sondierungspapier. Keine Substanzsteuern einzuführen heißt übersetzt: Keine Wiederbelebung der seit 1997 ausgesetzten Vermögensteuer.

Die reichen Steuern-rauf-Lobbyisten fordern unter anderem genau das: die erneute Besteuerung von Vermögen, eine höhere Kapitalertragsteuer und gegebenenfalls eine Vermögensabgabe, falls der Staat mehr Schulden machen will, als die Schuldenbremse zulässt. Doch bedarf es schon großer Phantasie, um sich vorzustellen, die FDP verteidige einerseits tapfer die Schuldenbremse und bitte andererseits die Reichen – das wären in erster Linie die Familienunternehmer – mit einer Vermögensabgabe zur Kasse. Zu denen, die höher besteuert werden wollen, gehört Antonis Schwarz, ein Sprössling der Schwarz-Pharma-Dynastie, der nach dem Verkauf des Unternehmens für 4,4 Milliarden Euro 2006 seinen Anteil in unbekannter Höhe ausbezahlt bekam. Es muss sich schon um einen stattlichen Betrag gehandelt haben. Sonst hätte Schwarz es sich nicht leisten können, den Bundestagswahlkampf der Grünen mit einer halben Million Euro zu unterstützen. Doch muss er damit leben, dass seine Partei jetzt beim Thema Steuern nicht liefern kann.

Steuern rauf – aber auch für große Vermögen?

Nicht alle, die nach höheren Steuern rufen, wollen, dass der Staat an die großen Vermögen herangeht. Michael Otto, einer der reichsten Deutschen und Aufsichtsratsvorsitzender des Otto-Versandhandelskonzerns, hätte „keine Probleme damit, den Spitzensteuersatz für Besserverdienende anzuheben“. Seine Begründung: „Wer als Unternehmer gute Gewinne macht, muss auch entsprechende Steuern zahlen.“ Eine Vermögenssteuer hingegen lehnt er hingegen ab: „Das würde bedeuten, dass vor allem mittelständische Unternehmen bei Verlusten auch noch Steuern zahlen müssten.“ Gegen höhere Erbschaftsteuern ist er auch: Man solle nicht denjenigen „hart besteuern, der ein Haus oder Unternehmensanteile erbt - das könnte beides gefährden.“

Wenn Reiche höhere Steuern fordern, dann können sie mit medialer Aufmerksamkeit rechnen – und zwar überwiegend positiver. Der Sänger Sebastian Krumbiegel, Frontmann der „Prinzen“ und im Vergleich zum Milliardär Otto eher arm, bekannte in der „Zeit“, dem inoffiziellen Zentralorgan der Steuererhöher, er sei „ein Fan davon, Steuern zu bezahlen,“ damit Straßen und Schulen gebaut werden könnten. Deshalb habe er nichts dagegen, den Spitzensteuersatz anzuheben. Räumt aber zugleich ein, es gebe „sicher Menschen, bei denen mehr zu holen wäre“ als bei ihm.

Der Nur-Erbe Schwarz, der Erbe Otto, der als Manager das Ererbte kräftig vermehrt hat, und der vermutlich sehr gut verdienende Künstler Krumbiegel haben zweierlei gemeinsam. Erstens wollen sie höher besteuert werden. Und zweitens warten sie darauf, dass der Staat sie dazu zwingt, mehr an die Staatskasse abzuführen. Was zu einer dritten Gemeinsamkeit führt: Sie wollen dem Fiskus nur mehr geben, wenn auch alle anderen in ihrer Geld-Klasse höher besteuert werden. Pharma-Erbe Schwarz stört, dass andere „Superreiche“ nicht nur keine höheren Steuern zahlen wollen, sondern seiner Meinung nach auch zu wenig spenden: „Ich bin manchmal sehr enttäuscht, wenn ich sehe, wie viel Geld da ist und wie wenig abgegeben wird.“

Warten auf ein Wort von oben

Der fast verzweifelte Ruf nach einem kräftiger zulangenden Fiskus passt eigentlich nicht so recht zu Menschen, die sich als engagierte Staatsbürger sehen. Vielmehr verhalten sie sich wie auf ein „Wort von oben“, auf einen Gesetzesbefehl wartende Untertanen. Denn niemand muss hierzulande händewringend darauf hoffen, dass der Staat – endlich – sein Einkommen und sein Vermögen durch höhere Steuersätze oder gar neue Steuern schmälert. Das Bibelwort „Wer da hat, dem wird gegeben“, kann jeder, der will in „Wer da hat, der kann auch geben“ umwandeln – und zwar in unbegrenzter Höhe. Der Bundesfinanzminister hat nämlich 2006 ein Spendenkonto eingerichtet. Wer dort Geld einzahlt, der darf sicher sein, dass sein Geld gut angelegt ist. Mit diesen Zahlungen werden nämlich ausschließlich Schulden des Bundes getilgt. Das schafft wenigstens etwas Luft im Haushalt für Investitionen, für Klimaschutz oder Soziales.

Von diesem Konto scheinen die zahlungswilligen Reichen aber nichts gehört zu haben. Oder es missfällt ihnen, dass sie für entsprechende Überweisungen – anders als bei von ihnen favorisierten Spenden für kulturelle oder soziale Aufgaben – keine steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung erhalten, ja nicht einmal öffentlich als Wohltäter in Erscheinung treten können. Denn der Bund weiß selbst nicht so recht, ob er dieses Almosenkonto gut finden soll oder nicht. Jedenfalls können edle Spender nicht einmal mit einem Dankschreiben rechnen.

Wer hat, der darf ruhig geben

Auf dieser offiziell als „Schuldentilgungskonto des Bundes“ bei der Bundesbank firmierenden Bankverbindung gingen 2020 ganze 48.919,70 Euro ein. Das liegt noch über dem Durchschnitt der jährlichen Bürgerbeteiligung an der Schuldentilgung. Eine Ausnahme bildete das Jahr 2018, in dem mehrere Freiwillige die Rekordsumme von 610.000 Euro überwiesen. Darunter waren zwei Einzelspenden von jeweils 300.000 Euro. Ob da ans Gemeinwohl denkende Menschen am Werk waren oder plötzlich von Gewissensbissen heimgesuchte Steuerhinterzieher? Vom Finanzministerium ist grundsätzlich nicht zu erfahren, wer die edlen Spender sind.

Ob die „leidenden Reichen“ nicht wissen, dass sie den Staat auf diese Weise auf recht bequeme Weise per einfacher Überweisung unterstützen könnten? Das ist eigentlich kaum zu glauben. Da drängt sich eher der Eindruck auf, dass mancher sich wohl dabei fühlt, auf deutlich höhere Steuern zu drängen, wohl wissend, dass dieses Glück ihnen allenfalls bei einer rot-grün-roten Regierung gewährt würde. So gesehen, müssten Antonis Schwarz & Co. eigentlich der Partei „Die Linke“ viel Geld spenden – damit es mit Hilfe der SED-Erben endlich anbrechen kann, das Hochsteuer-Paradies Deutschland.

Ja, es ist eigentlich ganz einfach, wenn man dem Staat mehr geben will, als der einem abnimmt. Aber das fiele angesichts der Verschwiegenheit des Finanzministeriums nicht so auf wie das öffentliche Räsonieren über den zu zaghaften Griff des Staates in die Taschen der sich ob ihres Erbes angeblich grämenden Superreichen. Kommt der Begriff „Unternehmer“ nicht etwa von „unternehmen“? Oder sollte bei all den Unternehmer-Sprösslingen das unternehmerische Gen unterentwickelt sein?

Wie auch immer: Wer da hat, der darf auch geben. Hier der entsprechende Service-Hinweis: Sonderkonto des Bundes, Nr. 86001030, BLZ 86000000. Der neue Finanzminister wird sich freuen. Falls es Christian Lindner wird: Einem Freien Demokraten sind aktiv handelnde Bürger sicher lieber als um den Zugriff des Leviathans bettelnde Reiche.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 1. Dezember 2021)


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