20.01.2022

Die Grünen wiederholen beim „Bonus-Gate“ die Fehler Baerbocks

Das gab’s noch nie. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gleichzeitig gegen den Vizekanzler und die Außenministerin der Bundesrepublik. Robert Habeck, Annalena Baerbock und vier weitere Vorstandsmitglieder der Grünen sollen sich bereichert haben. Sie haben sich nämlich 2020 einen steuerfreien Corona-Bonus von 1500 Euro genehmigt, ebenso wie den angestellten Mitarbeitern des Parteiapparats.

Dazu vier Feststellungen. Erstens: Diese Methode, sich selbst zu bedienen, ist schon von den Rechnungsprüfern der Partei gerügt worden – zu Recht. Zweitens: Habeck, Baerbock und die anderen „Selbstbediener“ haben die Gelder längst zurückgezahlt. Drittens: Für die Begünstigten, zu denen auch der damalige Bundesgeschäftsführer Michael Kellner und Schatzmeister Marc Urbatsch gehörten, waren die 1500 Euro „Peanuts“. Allenfalls für die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Jamila Schäfer und Ricarda Lang, die erst im Herbst in den Bundestag einzogen, könnte der Betrag relevant gewesen sein. Viertens: Bei dieser Operation Selbstbedienung wäre, wenn sie nicht aufgeflogen wäre, in erster Linie die Öko-Partei geschädigt worden, nicht der Steuerzahler.

Schweigend aussitzen? Hat wieder einmal nicht geklappt!

Es ist also eher ein „Affärchen“, was sich da abspielt, kein handfester Skandal. Doch wieder einmal zeigt sich, dass es häufig nicht der Fehltritt an sich ist, der Politiker in Schwierigkeiten bringt, sondern die Art und Weise, wie sie damit umgehen. Denn die Staatsanwaltschaft hat laut „Spiegel“ bereits den Immunitätsausschuss des Bundestags über das Verfahren informiert, da fünf der sechs Betroffenen Abgeordnete sind. Die Grünen aber versuchten „Bonus-Gate“ schweigend auszusitzen, ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen.

Jetzt, da sie es nicht mehr leugnen können, haben die Grünen ein doppeltes Problem. Einmal den Vorwurf der Untreue gegenüber der auch von Mitgliederbeiträgen lebenden Partei. Zum anderen wird die Öffentlichkeit an all das erinnert, was die Grünen um die Chance eines noch besseren Wahlergebnisses gebracht hat: Die Affären ihrer Kanzlerkandidatin.

Ob der geschönte Lebenslauf, das mehr oder weniger abgeschriebene Buch oder das Bekanntwerden der Boni-Zahlungen: Baerbock hatte stets alles abzustreiten oder kleinzureden versucht, bis die Fakten nicht mehr zu leugnen waren. Jetzt verhält sich die noch amtierenden Parteispitze Baerbock/Habeck genauso falsch, um nicht zu sagen: genauso dumm. Hätte die Partei die Öffentlichkeit informiert, als die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Ermittlungsverfahren formell einleitete, wäre der Schaden nur halb so hoch gewesen.

Auch Grüne handeln nach dem Motto „Gier ist geil“

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil mehrere Privatpersonen Strafanzeige gestellt hatten. Es spricht einiges dafür, dass das Verfahren wieder eingestellt wird, da die Partei ja selbst den Fehler wieder korrigiert hat. Gleichwohl wird das Ganze der Partei schaden. Denn der Bonus-Beschluss des Bundesvorstandes zeigt, dass die Spitzengrünen eben nicht die Gutmenschen sind, als die sich sonst so gern präsentieren. Als es plötzlich die Möglichkeit gab, steuerfrei 1500 Euro zu kassieren, griffen sie nach dem Motto „Gier ist geil“ zu.

Der steuerfreie Corona-Bonus war in erster Linie für die vielen Arbeitnehmer gedacht, die während der Lockdown-Phasen und trotz der vielen durch die Pandemie bedingten Einschränkungen „den Laden“ am Laufen hielten, nicht für ohnehin gut bezahlte Führungskräfte. Baerbock, Habeck & Co. ließen das freilich außer Acht. Sie stellten sich auf eine Stufe mit Pförtner oder Schreibkräften in ihrer Parteizentrale. Der schnelle Euro war ihnen wichtiger als Stil und Anstand. Da fällt einem ein, was der ARD-Börsenguru Frank Lehmann einst über Auswüchse an den Finanzmärkten sagte: „Die Gier frisst das Hirn.“

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 20. Januar 2022)


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