23.07.2022

Aus Hartz IV wird Bürgergeld: Fünf Gründe, warum es für den Steuerzahler teuer wird

Das von der Ampel-Koalition zum 1. Januar nächsten Jahres geplante Bürgergeld ändert die bisherige Hartz IV-Praxis des Forderns und Förderns. Falls die FDP an den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil nichts Wesentliches ändern kann, lautet das Motto künftig: Mehr Geld für deutlich geringere Gegenleistung - finanziert vom Steuerzahler.

Zwei positive Aspekte an Heils Plan sollen nicht unerwähnt bleiben. Die Inflation macht es notwendig, mit der nächsten Anpassung dieser Transferleistung für überwiegend Langzeitarbeitslose nicht bis zum 1. Juli zu warten, sondern diese bereits zum Jahreswechsel vorzunehmen. Das ist richtig und wichtig.

Noch ein weiterer Vorschlag geht in die richtige Richtung. Schüler, Studenten und Azubis, die Bürgergeld beziehen, sollen künftig mehr hinzuverdienen dürfen, ohne dass der Staat seine Zahlungen kürzt. Die FDP fordert aus gutem Grund, auch erwachsenen Leistungsbeziehern bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten zu eröffnen. Zurzeit bestraft der Staat nämlich jeden, der sich noch etwas hinzuverdient, durch die Kürzung seiner Hartz IV-Bezüge. Ein Ansporn zu eigener Anstrengung ist das gerade nicht.

Heils gefährliche Vorschläge

Dessen ungeachtet begibt sich Heil mit seinen Reformvorstellungen auf die schiefe Bahn zu einem Grundeinkommen, jedenfalls in der Light-Version. Hier die fünf gefährlichsten Vorschläge.

1. Das Bürgergeld schont Vermögen: Künftig soll das Schonvermögen 60.000 Euro betragen, für eine Familie mit zwei Kindern 150.00 Euro. Das heißt: Wer nicht arbeitet, muss in den ersten zwei Jahren sein Erspartes in dieser Höhe nicht antasten. Sehr viele Steuerzahler, die viel weniger auf der hohen Kante haben, dürften sich wundern, dass sie für den Unterhalt viel „Reicherer“ aufkommen müssen.

2. Das Bürgergeld kennt sechs Monate lang praktisch keine Sanktionen: Was die Ampel bereits für eine Übergangszeit beschlossen hat, soll künftig zur Dauereinrichtung werden. Wer keine Neigung verspürt, sich ernsthaft um einen Job zu bemühen oder sich weiterzubilden, muss sechs Monate lang keine Sanktionen befürchten. Erst danach könnte das Job-Center Leistungen kürzen. Doch dürften SPD und Grüne darauf drängen, dass diese Kürzungen eher milde ausfallen, noch milder als bisher.

3. Das Bürgergeld prämiert teure Wohnungen: Wer in einer für seine Verhältnisse zu großen und zu teuren Wohnung lebt, muss nicht umziehen. In den ersten zwei Jahren des Bürgergeld-Bezugs wird der Staat die Miete übernehmen.

4. Das Bürgergeld belohnt Selbstverständliches: Von Leistungsbeziehern sollte man eigentlich erwarten, dass sie sich weiterbilden oder Sprachkurse besuchen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Das soll künftig mit einem monatlichen Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro prämiert werden. Da muss sich jeder Arbeitnehmer auf den Arm genommen fühlen, der sich neben seiner Berufstätigkeit auf eigene Kosten fortbildet.

5. Das Bürgergeld fördert die Flucht in die Weiterbildung: Bisher galt der sogenannte Vermittlungsvorrang. Wer ein Jobangebote hatte, musste es annehmen, auch wenn er dafür eher überqualifiziert ist. Jetzt können Arbeitslose, die angebotene Arbeiten nicht annehmen wollen, stattdessen auf Weiterbildung setzen. Und das nicht mehr nur für zwei, sondern für drei Jahre. Da dürften manche Arbeitnehmer und Beitragszahler neidisch werden.

Ein teures und gefährliches Experiment - zur Unzeit

Fazit: Heils Vorschläge machen - sofern die FDP sich nicht querstellt - Schluss mit Hartz IV und ebnen den Weg in ein an wenige Bedingungen geknüpftes Grundeinkommen. Für dieses „Grundeinkommen light“ erwartet er die Solidarität der Finanziers des Sozialstaates, also aller steuer- und beitragszahlenden Arbeitnehmer, Selbständigen und Unternehmer.

Es ist ein sehr eigenartiges Verständnis von Solidarität, das auf das Prinzip Leistung ohne Gegenleistung hinausläuft. Ein teures und gefährliches Experiment. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der überall Arbeitskräfte gesucht werden. Wir „importieren“ sogar Flughafenmitarbeiter oder Erntehelfer aus dem Ausland, weil sich zu viele Arbeitslose in einem System von „Stütze plus etwas Schwarzarbeit“ eingerichtet haben.

Wer dies nicht glaubt, möge versuchen, eine Hilfe für Haus oder Garten zu finden, die bereit ist, diese Einnahmen ordnungsgemäß zu versteuern. Oder jemanden, der im Winter morgens um 6 Uhr Schnee schippt. Er wird in Großstädten kaum Glück haben. Hubertus Heil könnte ja mal sein Glück in Berlin versuchen - und auf die Steuerehrlichkeit vieler Leistungsempfänger setzen. Er dürfte sich wundern.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 23. Juli 2022)


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