Presse

4.2.2006 - Rhein-Zeitung

Kein Medium erreicht mehr die ganze Republik

BAD SOBERNHEIM. Es grummelt vernehmlich in der Politik, es rauscht auch im
Blätterwald: Die Medien - sind sie zu mächtig geworden? Sind sie vom
Beobachter zum Akteur mutiert? Regieren sie dreist mit? Ist wegen der
Medien das Vermarkten von Politik wichtiger als ihr Inhalt geworden?

"Die Zeit" beackerte dieses Feld dieser Tage auf elf Seiten - die im
politischen Berlin wie in den Staatskanzleien der Länder geradezu
verschlungen wurden. Und auch Mediennutzer in der Republik interessieren
sich zunehmend für solche Fragen: Bei einem Gedankenaustausch des
Hauptstadt-Journalisten Hugo Müller-Vogg und der jungen
CDU-Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner (Wahlkreis Bad Kreuznach) in Bad
Sobernheim zum Thema "Macht der Medien - Ohnmacht der Politik?" reichten
anfangs die Stühle nicht.

Macht und Ohnmacht: Müller-Vogg und Klöckner machten schon durch ihr
eingespieltes Aufeinander-Reagieren bei dem von der
Konrad-Adenauer-Stiftung arrangierten Wechselspiel deutlich, dass Medien
und Politik eng verzahnte Teile eines gemeinsamen Getriebes geworden sind,
ganz im Sinne der Verwandtschaft beider Worte. Julia Klöckner bekennt
ungeschminkt: "Wir Politiker wollen die Präsenz in den Medien." Folge:
Pub-lizität - und "eine Hassliebe, manchmal," zu den Journalisten. "Man
beschwert sich über die Geister, die man rief." Nachdenklich stimmt die
gelernte Journalistin, dass damit politische Ideen schon im Vorfeld der
Fixierung oder Realisierung öffentlich werden - also "in Stadien, in denen
Öffentlichkeit nicht hilft". Ihr Fazit: "Es ist problematisch geworden,
einen Gedanken zu äußern."

Hugo Müller-Vogg (58), von 1977 bis 2001 bei der FAZ, zuletzt als
Mitherausgeber, jetzt politischer Kolumnist von "Bild", erlebt die Politik
dabei "auch als Mittäter": "Politik vermarktet sich viel mehr als früher."
Mehr noch: Politiker personalisieren Politik selber immer stärker - und
machen sich zu Markenzeichen ihrer Parteien, weil die sich annähernden
Programme dazu nicht mehr taugen. Müller-Vogg deshalb: "Mit Politik und
Medien finden zwei zusammen, die sich suchen."

Die Politik also ist nach Müller-Voggs Analyse lange nicht so schuld- und
hilflos wie oft selbstdargestellt. Die Macht der Medien wiederum "wird
überschätzt". Das Argument des Autors, der Merkels Handynummer kennt: So
wenig es d i e Medien gibt, so wenig gibt es noch d i e Öffentlichkeit.
Vielmehr ist die Republik in "Teilöffentlichkeiten zerfallen" - mit
jeweils anderen Medien und anderem Informationsverhalten. Müller-Voggs
Botschaft: Jedes Medium erreicht nur noch Gruppen, keines mehr das ganze
Land - abgesehen von "Bild", der "größten Multiplikatorwirkung, die es in
Deutschland noch gibt", wie der Ex-FAZ-Chef mit merklichem Stolz über die
Reichweite seiner "Berlin intern"-Kolumnen anmerkt.

Zudem machen festgefügte Meinungen nach seiner Erfahrung immun gegen
Medieneinfluss. Sein Beispiel: Die Zuwanderung wird seit Jahrzehnten von
den meisten Medien befürwortet - von der Mehrheit der Bürger aber wird sie
gleichwohl skeptisch wie eh und je bewertet.

Groß hingegen ist der Einfluss der Medien laut Müller-Vogg immer dann,
wenn "die Politiker orientierungslos umherirren und Meinungsumfragen für
Zielmarken halten". Spricht"s - und philosophiert mit Julia Klöckner
bezeichnend lang über die elementare Frage, ob Merkels Gatte nicht doch
besser zumindest bei ihrer Vereidigung zugegen gewesen wäre.

(Christian Lindner)

   


 

       


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