25.07.2024

Warum erzählen Sie uns zum Mindestlohn „Tüünkram“, Herr Bundeskanzler?

Olaf Scholz hat bekanntlich Gedächtnisschwierigkeiten; jedenfalls tut er häufig so. Das war auch bei seiner Sommerpressekonferenz am Mittwoch der Fall.

Dass in der SPD der Frust über den eigenen Kanzler wächst, dass viele Unternehmen den Standort Deutschland nicht mehr attraktiv finden, dass keineswegs „im großen Stil“ abgeschoben wird, wie er angekündigt hatte: Das alles scheint der Kanzler verdrängt zu haben.

Plötzlich kürt sich Scholz zum „Mister Mindestlohn“

Weil die Umfragewerte für ihn wie für die SPD im Keller sind, sah sich Scholz bemüßigt, sich mit ausgiebigem Selbstlob in den Urlaub zu verabschieden. Dabei kürte er sich zum Champion der Geringverdiener.

Scholz: „Ich bin Mister Mindestlohn. Ich habe den mehrfach in Deutschland durchgesetzt, zusammen mit meiner Partei.“ Soll wohl heißen, ohne mich – den Mister Mindestlohn – gäbe es diese gesetzliche Lohnuntergrenze nicht.

Klingt gut, hat nur mit den Fakten nichts zu tun. Angesichts seiner Gedächtnislücken hätte der Kanzler besser mal nachgeschaut, was auf der Homepage von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Geschichte des Mindestlohns zu lesen ist.

Die Frage, „Wann wurde ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland eingeführt?“, wird dort so beantwortet: „Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland seit dem 1. Januar 2015. Damit wurde eine Lohnuntergrenze eingeführt, die nicht unterschritten werden darf.“

Bei Einführung des Mindestlohns war Scholz nicht dabei

Beschlossen worden war das „Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG)“ am 11. August 2014. Da war Olaf Scholz allerdings gar nicht dabei. Er war nämlich von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg.

Als der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, regierte eine Große Koalition mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) an der Spitze. Dass es dazu kam, darauf hatte die SPD in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU gedrängt. Den Koalitionsvertrag unterschieb nicht der angebliche „Mister Mindestlohn“, sondern der damalige SPD-Vorsitzende Gabriel.

Genaugenommen wurde der erste Mindestlohn sogar schon 1996 eingeführt. Und das von der schwarz-gelben Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Vizekanzler Klaus Kinkel (FDP).

Die rechtliche Grundlage bildete das „Arbeitnehmer-Entsendegesetz“. Es schrieb unter anderem vor, dass ausländische Unternehmen ihren Beschäftigten in Deutschland die bei uns geltenden Löhne zahlen müssen. So sollte zunächst das Baugewerbe gegen das Lohn-Dumping ausländischer Wettbewerber geschützt werden. Später wurde das Gesetz auf andere Branchen ausgeweitet. „Mister Mindestlohn“ war damals noch nicht einmal Mitglied des Bundestags.

Scholz und der „Tüünkram“

Eines freilich kann man Scholz nicht absprechen: Er hat die parteipolitische Instrumentalisierung des Mindestlohns erfolgreich betrieben. 12 Euro Mindestlohn war 2021 ein zentrales Wahlkampfversprechen des SPD-Kanzlerkandidaten. Die Ampel setzte es dann bereits zum 1. Oktober 2022 um.

Nun mag es ja so sein, dass Scholz alles, was beim Mindestlohn vor seiner Kanzlerschaft passierte, einfach ausklammert. Zu seinem Selbstbewusstsein würde das passen.

Zu seiner eigenen Krönung zum „Mister Mindestlohn“ passt gleichfalls, wie Scholz in der Pressekonferenz die vielen Fake News in den sogenannten sozialen Medien einstufte – als „Tüünkram“, ein plattdeutsches Wort für Quatsch.

Für Tüünkram außerhalb des Regierungsviertels hatte Scholz einen guten Rat: Da müsse man gegenhalten: „Das ist Tüünkram. Ihr lügt, das ist Quatsch.“ Jeden Tag begegne man Leuten, bei denen man denke, „was hat der heute Morgen gegessen?“

So bleibt nach dieser Pressekonferenz von „Mister Mindestlohn“ eine wichtige Frage offen: Was gabs am Mittwoch beim Kanzler zum Frühstück?

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 25. Juli 2024)


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